Amazon Seller vs Vendor: Welches Modell ist das richtige?
Veröffentlicht am von Matthias Habel
Oftmals stellt sich für Verkäufer die Frage, welches Verkaufsmodell auf Amazon am besten für ihr Unternehmen geeignet ist. Mit dem Seller- und Vendor Central bietet Amazon für Verkäufer zwei Möglichkeiten, Waren mittels der größten Produktsuchmaschine der Welt zu vertreiben.
Inhaltsverzeichnis
Unterschiede zwischen Amazon Seller & Vendor
Einer der grundlegendsten Unterschiede der beiden Programme liegt darin, ob Händler ihre Ware auf Amazon direkt an den Endkunden oder an Amazon verkaufen: Seller verkaufen ihre Produkte auf der Plattform direkt an den Endkunden (B2C) und sind somit in jeder Hinsicht verantwortlich für den Verkaufsprozess, sowie das Marketing und die Logistik. Sie haben die volle Kontrolle über die Preisgestaltung, das Produkt-Listing, den Verkauf der Ware sowie den Kundensupport.
Im Gegensatz dazu beliefern Vendoren Amazon mit ihren Produkten (B2B) und agieren vielmehr wie reine Lieferanten. Vendoren sind somit lediglich verantwortlich für die Produktauswahl und geben darüber hinaus die volle Kontrolle an Amazon ab.
Da Hersteller auch im Vendor-Programm weiterhin für die Pflege des Contents, sowie der Marketing-Aktivitäten zuständig sind, bringt der Wechsel zum Seller-Programm bei einem vergleichbaren Aufwand doch entscheidende Vorteile mit sich.
Unterschiede im Vertrieb
Während für das Seller-Programm keine Verhandlungen mit Amazon notwendig sind, müssen Vendoren zumeist undurchsichtigen und teilweise unvorteilhaften Konditionen zustimmen. Entsprechend begeben sich Vendoren in eine extreme Abhängigkeit von Amazon, die wenig Spielräume für eigene Entscheidungen offen lässt. So haben Seller mit standardmäßigen 7-20 Prozent nicht nur deutlich geringere Abgaben an Amazon. Während Seller die Verkaufspreise eigenständig festlegen und entsprechend kontrollieren können, übertragen Vendoren zudem sämtliche Rechte an Amazon in Bezug auf die Preisgestaltung und verlieren den damit zusammenhängenden Einfluss auf die Verkaufsmargen. Da immer wieder zu beobachten ist, dass Amazon im Kampf um die Buy-Box (Einkaufswagenfeld) mit anderen Händlern Druck auf die Marktpreise ausübt, ist generell eine hohe Preiserosion möglich. Zum Teil werden die Produkte seitens Amazons unter dem jeweiligen UVP angeboten, sodass sich Verkäufer im Amazon Vendor Central auf vergleichsweise geringere Margen einstellen müssen. Der Hinweis „Verkauf durch …“ zeigt dem Kunden auf der Produktdetailseite unterhalb des Einkaufswagenfeldes an, mit wem ein Geschäft abgeschlossen und unter welchen Bedingungen die Ware versendet wird. Da der Marke Amazon meist ein größeres Vertrauen entgegengebracht wird als einem möglicherweise unbekannten Drittanbieter, besteht die Annahme, dass Kunden den Kauf bei Amazon direkt bevorzugen und Vendoren entsprechend einen höheren Absatz erwarten können. Es ist jedoch fraglich, inwiefern Kunden von diesem Hinweis tatsächlich die endgültige Kaufentscheidung abhängig machen und ob dieser die geringeren Margen ausgleicht. Letztlich müssen sich Vendoren zudem auf teilweise lange Zahlungsziele von bis zu 90 Tagen einstellen, während sich Seller bereits nach 14 Tagen auf einen Geldeingang freuen können.
Unterschiede in der Logistik
Seller haben die volle Kontrolle über Listungen, die angebotenen Produkte und somit die Produktverfügbarkeiten. Entsprechend ist ein proaktives Lagerbestandsmanagement nötig. Da Vendoren Amazon mit ihren Produkten beliefern, liegen letztlich das Listing und die Verfügbarkeit in den Händen von Amazon. Dabei kommt es nicht selten vor, dass Amazon mehrmals pro Woche kleinteilige Bestellungen an unterschiedliche Lager aufgibt. Zudem sieht Amazon Strafzahlungen vor, sollten Vendoren die Produkte nicht sachgemäß und zeitnah im gewünschten Lager eintreffen. Bei Vendoren übernimmt Amazon die gesamte Logistik und bietet dem Endkunden den Service Amazon Prime an, ohne dass für Vendoren weitere Kosten anfallen. Neben dem eigenen Versand (Fulfillment by Merchant – FBM) bietet Amazon jedoch auch allen Sellern die Möglichkeit gegen eine entsprechende Gebühr an dem Programm Fulfillment by Amazon (FBA) teilzunehmen. Ähnlich eines Konsignationslagers werden in Deutschland die Waren innerhalb eines der 12 Amazon Fulfillment Centern (AFC) eingelagert, gehören bis zum Verkauf jedoch weiterhin dem Seller und lediglich der Versand sowie das Retourenmanagement werden von Amazon übernommen. Durch FBA können die Versandvorteile für Amazon Prime genutzt werden, sodass die Teilnahme an dem Programm FBA immer empfehlenswert ist. Da Amazon Prime Kunden dank des kostenlosen und schnellen Versands eher bei teilnehmenden Verkäufern bestellen, bringt FBA auch entscheidende Vorteile im Wettbewerb um das Einkaufswagenfeld mit sich, sodass der Umsatz deutlich gesteigert werden kann.
Marketing und Werbemaßnahmen
Um die Produkte bestmöglich darstellen zu können, stehen Sellern und Vendoren ähnliche Darstellungsmöglichkeiten zur Verfügung. So haben Seller mit einer auf Amazon registrierten Marke ebenso wie Vendoren die Möglichkeit, im Amazon Seller Central bzw. Vendor Central A+ Content, d.h. erweiterte Inhalte für die Produktbeschreibung, zu nutzen sowie einen eigenen Amazon Brand Store zu erstellen. Während die Amazon Advertising Services früher lediglich über das Vendor Central zur Verfügung standen, haben nun auch Seller die Möglichkeit, mit Sponsored Products, Sponsored Brands und Demand-Side-Platform Display Werbekampagnen die Sichtbarkeit zu erhöhen und den Umsatz zu steigern. Sowohl Seller als auch Vendoren sind für die Darstellung der Produkte und ggf. den Brand Store sowie die Erstellung und Steuerung von Werbekampagnen verantwortlich. Entsprechend müssen Verkäufer in beiden Programmen Werbeausgaben an Amazon zahlen. Während Amazon von Vendoren somit einerseits Werbeeinnahmen erhält und der durch die Werbekampagnen entstehende Umsatz zusätzlich auf Seiten von Amazon entsteht, können Seller den direkten Umsatz auf Seiten des eigenen Unternehmens verbuchen.
Operations
Da Seller den Verkauf eigenständig regeln, stehen Verkäufern über das Seller Central deutlich mehr Informationen als über das Amazon Vendor Central zur Verfügung. Mit Warenkorbstatistiken, Kunden- und Transaktionsdaten sowie Einkaufswagenfeld-Quoten erhalten diese somit relevante Informationen, die auch über den Vertriebskanal hinaus wichtige Zielgruppen-Insights liefern können. Seller müssen sich jedoch darauf einstellen, entsprechende Qualitätskennzahlen regelmäßig zu überprüfen. Dazu zählt auch, dass Seller für den Kundenservice verantwortlich sind und Kundenanfragen innerhalb von 24 Stunden beantworten müssen. Zudem sollten Retouren bei Eigenversand zeitnah abgewickelt werden. Während Amazon im Vendor Central diesen Service übernimmt, wird von Sellern ein größerer Aufwand erforderlich. Allerdings haben Seller somit die Möglichkeit, über den Kontakt zum Endkunden ein direktes Feedback zu den Produkten und ggf. zur Marke zu erhalten.
Preisgestaltung
Als Amazon Seller haben Sie den Vorteil, Ihre Preise eigenständig festzulegen. Es ist jedoch wichtig, die richtige Preisfindung und eine gründliche Recherche nicht zu vernachlässigen. Im Amazon Vendor-Central übernimmt Amazon diese Aufgabe, aber oft gibt es unterschiedliche Preisvorstellungen zwischen Amazon und den Herstellern.
Hersteller müssen sich daher auf sinkende Margen einstellen, da Amazon oft aggressiv die Einkaufspreise drückt. Zusätzlich liegt die Kontrolle über den Verkaufspreis im Vendor-Programm zu 100% bei Amazon. Oft werden Produkte deutlich unter der UVP angeboten, was zu einer Zerstörung des Marktpreises führen kann.
Amazon Seller
Ein Amazon Seller ist eine Person oder ein Unternehmen, das als Händler oder "third-party" Verkäufer auf dem Amazon Marketplace agiert. Der Seller nutzt das Marktplatz-Modell von Amazon, was bedeutet, dass er für den Preis, die Listings (Angebote), den Lagerbestand, den Versand seiner Produkte und auch für den Kundensupport selbst verantwortlich ist.
Amazon Seller haben zwei verschiedene Optionen für den Versand von Produkten: Fulfillment by Amazon (FBA) und Fulfillment by Merchant (FBM). Bei dem FBA-Service lagert der Seller seine Produkte in einem Amazon Versandzentrum und Amazon übernimmt die Abwicklung des Versands, der Retoure und den Kundenservice. Mit Amazon FBM kümmern sich Seller eigenständig um die Lagerhaltung, Verpackung und Versand ihrer Produkte.
Vorteile
Keine Konditions-Verhandlungen mit Amazon
Hohes Maß an Entscheidungsfreiheit und Kontrolle
Keine Vorgaben hinsichtlich Stückzahl und Lagerbeständen
Individueller Kundensupport möglich
Nachteile
Keine „Verkauf & Versand durch Amazon“ Vertrauens-Komponente
Hoher Aufwand beim Kundensupport, Versand- und der Retourenabwicklung
Hinweis
Jedes Unternehmen kann sich ohne spezielle Einladung für das Amazon Seller Central registrieren. Durch den Einsatz einer Amazon Agentur kann die Registrierung noch einmal deutlich beschleunigt werden.
Amazon Vendor
Das Vendoren-Programm von Amazon richtet sich in der Regel an größere Hersteller, Marken, sowie Verkäufer und steht nur durch eine Einladung offen. Im Vergleich zum Seller-Modell gibt es einen wesentlichen Unterschied in der Beziehung zu Amazon. Als Vendor fungiert man eher wie ein Lieferant und verkauft die Waren in großen Mengen direkt an Amazon. Amazon wiederum bietet die Produkte unter eigenem Namen auf der Plattform an. Nachdem die Ware an Amazon übergeben wurde, ist Amazon allein verantwortlich für den Versand, den Verkauf und den Kundensupport gegenüber den Endkunden.
Vorteile
Hohes Absatzpotential und Vertrauen durch „Verkauf & Versand durch Amazon“
Übernahme der Logistik (Versand, Retouren)
Übernahme von Verkauf und Kundensupport durch Amazon
Retouren und Versand werden von Amazon abgewickelt
Zugriff auf Vine Tester Programm
Nachteile
Weniger Entscheidungsfreiheit und wenig bis kein Mitspracherecht bei Preisgestaltung
Oftmals langwierige Preisverhandlungen mit Amazon
Amazon entscheidet über Produktportfolio und Lagerbestände
Lagerbestand-Anforderungen müssen nach Angaben von Amazon erfüllt werden
Amazon Hybrid Modell - Vendor & Seller kombiniert
Um die Vorteile beider Modelle zu kombinieren, bietet sich das Amazon Hybrid-Modell an. Mit dieser Strategie können sowohl Seller als auch Vendoren von mehr Anpassungsmöglichkeiten, Flexibilität und erhöhter Sicherheit profitieren.
Der Vendor verkauft über einen eigenen Seller-Account direkt an Endkunden, liefert aber auch Produkte an Amazon als Vendor. Damit kann der Vendor die Kontrolle über Preisgestaltung, Produktdarstellung und Marketingaktivitäten behalten, während gleichzeitig die Vorteile eines Vendor-Vertrags mit Amazon genutzt werden.
Das hybride Modell ermöglicht es, die Stärken beider Verkaufsmodelle zu nutzen und eine individuelle Verkaufsstrategie zu entwickeln, die den Anforderungen und Zielen des Unternehmens entspricht.
Fazit
Die Wahl des Amazon-Programms hängt von der Ausrichtung und Strategie Ihres Unternehmens ab. Im Allgemeinen ist das Vendor-Modell für größere Hersteller und Markeninhaber konzipiert, die sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren möchten und keinen direkten Kundenkontakt wünschen. Das Amazon Vendoren-Programm erfordert eine ausreichende Planung von Personalressourcen für Verwaltungsaufgaben und Marketing-Aktivitäten. Zudem übernimmt in diesem Modell Amazon die Kontrolle über die Preisgestaltung.
Das Seller-Programm hingegen richtet sich an Unternehmen, die eine solche Abhängigkeit vermeiden möchten. Als Seller behalten Sie zu jeder Zeit die Kontrolle über Preisgestaltung, Produktdarstellung und Werbemaßnahmen.
Häufig gestellte Fragen
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Matthias Habel
Matthias Habel ist Co-Gründer und Geschäftsführer von Fischer & Habel und ein gefragter Experte, wenn es um den Verkauf über Amazon geht, der größten Produktsuchmaschine der Welt.