Veröffentlicht:

2021-01-27

Wie sich Content und KI ergänzen

Die Wichtigkeit von Content Marketing nimmt ständig zu. Bereits 2017 gaben 91% der Unternehmen an, auf Content Marketing zu setzen (Content Marketing Institute 2017, Content Management & Strategy Survey). Seitdem erfuhr das Thema nochmal einen gehörigen Push.

In ihrem 2019er Content Marketing Report​ schlüsselte das CMI nun auf, dass 57% mit einer erneuten Erhöhung des Content Marketing Budgets planen. Die Mittel werden in 81% der Fälle dafür genutzt, um bestehende Kunden zu halten und zu binden. Ein Großteil des Invests (56%) fließt dabei in die Erstellung neuer Inhalte.

Nicht nur Content, sondern Story!

Interessant ist, an welcher Stelle investiert wird. Denn obwohl inzwischen eine Vielfalt von (durchaus auch kostenintensiven) Software-Tools zur Erstellung, Planung und Analyse von Content auf den Markt ist, richtet sich mit 52% der geplanten Ausgaben für Storytelling das Hauptaugenmerk auf das Handwerk der Erzählkunst. Gute Geschichten gefallen schließlich jedem. Aber was macht eigentlich eine Geschichte, zu einer guten Geschichte? Technologie und Software sind hilfreich, Heilsbringer allein sind sie aber nicht (siehe dazu: LEAD Digital „Content Marketing – Vorsicht vor zu viel Technikgläubigkeit“). Nach wie vor kommt es auf die „handwerklichen“ Elemente der Content-Erstellung an. Und diese haben eine uralte Vorgeschichte.

Menschen brauchen Geschichten

Wussten Sie, dass wir entwicklungsgeschichtlich „auf Geschichten gepolt“ sind? Auch Sie kennen das: Eine plastisch beschriebene Figur, der man sich verbunden fühlt, dazu ein Konflikt, der sich zuspitzt und – wenn es schlimmer eigentlich nicht mehr kommen kann – überraschend auflöst. Wenn uns Inhalte in dieser Form begegnen, können wir sie uns nicht nur besonders gut merken. Wir können uns dem Sog auch schwer entziehen und brennen regelrecht darauf, mehr zu erfahren. Warum ist das so?

​Nach Nahrung, Schutz und Gesellschaft sind Geschichten das, was wir auf dieser Welt am meisten brauchen.

​Philip Pullman

Tatsächlich halten sich das Märchen- und Geschichtenerzählen (genauso wie das Lernen der Kinder durch Rollenspiele) nicht nur aus liebgewonnener Tradition über Tausende von Jahren. Sie waren ein evolutionärer Vorteil. Erzählte Erfahrung ermöglichte den Menschen schon zu Urzeiten, aus Gefahren wirkungsvoll zu lernen, ohne sich selbst in bedrohliche Situationen zu begeben. Regeln und Strategien der Jagd und des Zusammenlebens konnten diskutiert, schwierige Herausforderungen geplant, wichtiges (zum Teil überlebenswichtiges) Wissen weitergeben werden.

Der Spiegel ​– kein Märchenmotiv sondern neurophysiologische Basis

Alle großen Geschichtenerzählen hielten sich auf Erfahrung an dieses Erfolgsrezept. Erst in den 1990er Jahren untermauerte die Entdeckung der Spiegelneuronen auch physiologisch, dass Lernen durch Betrachten und Nachahmen für Menschen (Primaten) so typisch ist, und warum es funktioniert.

Denn Inhalte werden besonders gut und leicht verstanden, wenn sie nach bestimmten Mustern erzählt sind, und unseren vererbten Denkmustern aber auch individuell über die Jahre kulturell und individuell erworbenen Motiven entsprechen. Also brauchen wir auch heute Storytelling, das sich an diese Erzählmuster hält.

Was bedeutet das für Content Marketing?

Wenn wir Texte, Bilder und Video-Content bewerten, schauen wir allzu häufig in erster Linie auf inhaltliche Korrektheit, lesbare beziehungsweise eingängige Sprache und authentische Präsentation. All dies ist wichtig, aber allein nicht ausreichend für gutes Content Marketing. Nicht jeder gut gemachte Content ist ‚gut‘ in dem Sinne, dass er für den Kunden passt. Gut ist er erst, wenn er für den Leser relevant ist und sich somit vom großen Rauschen, dem wir täglich ausgesetzt sind, abhebt, weil er genau für den Leser/Zuschauer/Kunden relevant ist. Nur dann können Inhalte die Menschen auch wirklich erreichen.

Relevant ist der Content dann, wenn er für ein zum Teil sehr spitzes Untersegment der Zielgruppe (Im Content Marketing spricht man von ‚Persona‘.) ausgerichtet ist. Das bedeutet der Content darf von vornherein gar nicht nur „zum Thema“ sondern muss „für eine ganze bestimmte Leserschaft“ konzipiert sein.

Über Relevanz entscheidet aber auch der richtige Zeitpunkt. Zur Frage „Für wen genau?“ gesellt sich somit noch das „Wann genau?“. Denn die Zugänglichkeit für bestimmte Themen hängt sehr davon ab, in welcher Stimmung, in welcher Phase der Kommunikation und aus welchem Kontext heraus, sich der Kunde interessiert zeigt. Selbst persona-bezogen passender Content kann also zu einem Problem werden; Dann nämlich, wenn er die Person zum falschen Zeitpunkt erreicht.

Content Marketing ist auch fester Bestandteil im E-Commerce

Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Kundenkommunikation und Content Marketing im Onlinehandel. Der gesamte Prozess der Interaktion wird in der sogenannten „Customer Journey“ abgebildet. Kein Wunder, dass Content Marketing hier längst kein Trend mehr, sondern ein echter Dauerbrenner ist. Es versteht sich von selbst: je nach Phase im Kundenlebenszyklus muss der Kunde anders angesprochen werden; ein Erstkontakt erwartet eine andere Ansprache und andere Inhalte als ein Bestandskunde. 

Nun ist eine Einkaufssituation natürlich etwas anderes als eine Märchenstunde am Lagerfeuer und auf einer Website hat man weniger Freiheit und Raum, um Geschichten aufzubauen. Trotzdem sind diejenigen, die es erleben, dieselben. Menschen wie du und ich, die auf bestimmte Trigger besonders gut anspringen. Und jeder Kanal hat seine Vorzüge: im Shop oder auf den Soziale Kanälen sind seitenlange Abhandlungen ungeeignet. Hingegen lässt sich hervorragend über Bilder und Videos erzählen. Dies gelingt aber nur, wenn man den Gegenüber wirklich gut kennt.

Content profitiert von Neuro-Marketing

Die interdisziplinäre Bewusstseinsforschung (Consciousness Studies) beschäftigt sich mit Grundmechanismen der Wahrnehmung und Entscheidungsfindung, die für alle Menschen gelten. Daraus lassen sich interessante Impulse ableiten, die auch für das Handwerk der Marketers nützlich ist. Diese Erkenntnisse laufen auch oft unter dem Schlagwort „Neuro-Marketing“ und erklären immer wiederkehrende Muster etwa, dass es bei einem Überangebot zu einer Entscheidungslähmung kommt, wieso Online-Rezensionen uns die Sicherheit des Herdentriebs vermitteln und vieles mehr.

Wenn man den Trend-Prognosen glauben darf, so schlummert ein enormes Potential in dem Persona- und Individuen-bezogenen Ausspielen von Inhalten und Echtzeit-Personalisierung. Dabei ist allerdings die genaue Kenntnis der Leserschaft, ihrer Neigung und aktuellen Stimmung entscheidend. Ohne Datenerhebung und kontinuierliche, umfassende Analyse bleibt es bei der reinen Vermutung. So gut man auch die eigenen Kunden zu kennen glaubt, die Wahrheit ihres tatsächlichen Verhaltens hält oft noch viele Überraschungen bereit. (Beispiel: Walmarts User Experience Fehler, Alex Gilev, „What people say they need is not what they actually need“)

Personalisierung + Content im E-Commerce: von ​„passt für viele​“ zu ​„passt für dich​“

Auch über diese Herausforderungen spricht der eingangs erwähnte CMI-Report. Eine besonders wichtige Frage ist für Unternehmen daher, ob die Inhalte auch im richtigen Moment ausgesteuert werden. Hier geben nur 49% an, mit den Ergebnissen schon zufrieden zu sein. Aber wie kann man den einen günstigen Augenblick vorab bestimmen? Hier kommt erneut die Besonderheit des digitalen Kanals zum Tragen. Durch allgegenwärtiges Web-Tracking, ergänzt um gut gepflegte User-Profile und Algorithmen, kann der passende Content auch automatisiert ausgespielt werden. Statt zu hoffen, dass der Kunde selbst findet, was ihn interessiert, wird es ihm nun gezielt vorgeschlagen.

Nun sind in den letzten Monaten immer mehr Szenarien in der Mediennutzung und auch im digitalen Handel mit Künstlicher Intelligenz angereichert worden. Selbstlernende System sind nicht mehr darauf angewiesen, dass alle möglichen Varianten vorab erdacht und programmiert wurden. Systeme können in Echtzeit auf User Verhalten reagieren und dabei nicht nur den richtigen Moment nutzen, sondern auch wertvolle Informationen sammeln. Das Content-Angebot wird auf die ganz konkrete Situation individualisiert und das Lernen ist im Prinzip nie abgeschlossen.

Fazit

Neben den neurophysiologischen Aspekten des Storytelling-Handwerks, die für jedermann passen, wird das Content Marketing somit um eine weitere Komponente ergänzen. Mit den Möglichkeiten der Personalisierung können wir neben den allgemeingültigen nun zusätzlich auch ganz individuelle Kundeninteressen in der Kommunikation berücksichtigen.

Angefangen beim Customizing von Shoppingumgebungen, über die Personalisierung von Inhalten und Angeboten, bis hin zu Assisted Shopping Services bekommt dieses neue content-orientierte Marketingverständnis noch eine weitere Dimension.

Und wer sich verstanden fühlt, kauft noch lieber ein. Nach unseren Erfahrungen lässt sich mit Personalisierung die Konversionsrate um bis zu 25% steigern. Da digitale Inhalte über das allgegenwärtige Smartphone und zunehmend im Laden verbaute Touch-Screens auch im stationären Handel eine immer größere Rolle spielen, ist personalisierter Content ein Multichannel-Thema und nicht auf den reinen Onlinehandel beschränkt.

Veröffentlicht durch

Caroline Helbing

Caroline Helbing

Senior Analyst und Content Writer bei der OXID eSales AG

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